Algorithmische Entscheidungssysteme (im Englischen: algorithmic decision making (ADM) systems, daher
auch im Deutschen oft mit ADM-System abgekürzt) sind Maschinen oder Software, die basierend auf
Daten eine Zahl berechnen, auf Grund derer eine Entscheidung getroffen werden kann. Das können
beispielsweise die geforderten Zinsen eines Kreditvertrages sein, die Entscheidung, ob überhaupt ein
Kredit vergeben wird, aber auch eine medizinische Diagnose. Wer sich wundert, warum die Diagnose
einer Zahl entspricht: Im Computer sind alle Informationen letztendlich Zahlen und so kann auch eine
medizinische Diagnose in diesem Sinne "berechnet" werden. Im Wesentlichen unterscheidet man zwei
Arten von Resultaten von algorithmischen Entscheidungssystemen: Klassifizierungen und
Risikobewertungen (scoring). Im ersten Fall besteht das Ergebnis aus einer Einstufung, wie man es
z.B. aus der Schadensklasse einer Autoversicherung kennt. Im zweiten Fall besteht das Ergebnis aus
einer Wahrscheinlichkeit, dass die bewertete Person oder das bewertete Objekt ein gewisses Verhalten
zeigt. Ein solcher Risikoscore wird z.B. von der Schufa berechnet und dieser Wert wird wiederum für
Entscheidungen zu Krediten oder Vermietungen verwendet.
Viele Entscheidungssysteme der 1980er und 1990er-Jahre bestanden aus computerlesbaren Regeln, die
die Softwareentwickler:innen von Experten bekommen hatten. Diese Expertensysteme werden teilweise
auch heute noch genutzt. Sie werden auch zum weiten Feld der künstlichen Intelligenz gezählt, sind
aber in der heutigen Diskussion um künstliche Intelligenz und algorithmische Entscheidungssysteme
nicht gemeint. Das liegt daran, dass die von Expert:innen aufgestellten Regeln gut nachvollziehbar
sind und die Entscheidungen daher gut von unabhängigen Prüfungsgremien untersuchbar sind.
Durch die Fortschritte im maschinellen Lernen und der Verfügbarkeit großer Mengen an Daten, gibt es
heute viele algorithmische Entscheidungssysteme, die auf maschinellen Lernverfahren basieren. Das
Problem daran ist, dass die von den Verfahren gefundenen Muster, die in statistischen Modellen
gespeichert werden, oft deutlich weniger gut nachvollziehbar sind und auch ungewollte
Diskriminierungen enthalten können. Noch schwieriger wird die Beurteilung der Güte und Fairness der
Systeme, wenn diese während ihres Einsatzes weiterlernen und damit beständig ihre
Entscheidungsregeln ändern.
Solche ADM Systeme mit einer (fertig) gelernten oder einer (weiterhin) lernenden Komponente
werden in einer Vielzahl von Kontexten eingesetzt. Beispielhaft lassen sich die Aufdeckung von
Steuerbetrug oder die Zuweisung von Qualifizierungsprogrammen für Arbeitslose anführen. Darüber
hinaus werden sie in sehr sensiblen Bereichen wie der Strafjustiz und der medizinischen Diagnostik
eingesetzt, in denen Entscheidungen weitreichende existenzielle Konsequenzen für den Einzelnen
haben.